Veröffentlichungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Liebe Gäste und Besucher des heutigen Benefizabends, Liebe Brüder und Schwestern,

Freimaurerei war „immer“ ...

diese Aussage Lessings hört man oft im Zusammenhang mit Überlegungen zur historischen Bedeutung unseres Bundes. Gemeint ist, dass die Ideale, die Tugenden und die Werte, für die wir stehen, allgemein gültige Basis für das menschliche Leben und Zusammenleben an sich sein sollten. Insofern müsste dies also auch übertragbar sein ins aktuelle 21. Jahrhundert.

Diese Betrachtung geht davon aus, dass u.a. die Bezugnahme auf die „Werte“, die wir unserem freimaurerischen Handeln zugrundelegen, einen hohen und allgemein anerkannten Anspruch sicherstellt und für jeden klar definiert ist.

Ebenso verhält es sich mit den viel zitierten Grundidealen der Freimaurerei „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität.“ Die Freimaurerei ist ein „Kind der Aufklärung“ lautet ein weiterer gängiger Hinweis. Dies meint, dass das Zeitalter der Aufklärung mit der Emanzipation der Vernunft die Entstehung und Entwicklung von Freimaurerlogen entscheidend beeinflusst hat. Der mündige Mensch rückt hier in den Fokus.

Wir Freimaurer stehen in der liberalen Tradition des Humanismus und bekennen uns zu Würde, Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen. Glaubens-, Gewissens- und Denkfreiheit sind unser höchstes Gut. Freimaurerei hat sich durch die Geschichte hindurch als Gemeinschaft von Wert und Bedeutung bewährt.

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Sie war und ist für viele Menschen soziale Heimat und Vermittlerin von Lebenssinn und moralischer Orientierung.

So lest der Interessierte, wenn er auf unserer Website begrüßt wird.

In den „Leitgedanken“ zur Freimaurerei unserer Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland finden wir weiterführende erläuternde Ausführungen zum Wesen des Freimaurerbundes. Die gelebte Freimaurerei dient der Verinnerlichung von der freimaurerischen Idee und der brüderlichen Gemeinschaft, begleitet von symbolischem Ausdruck.

Diese Vielgestaltigkeit des Bundes erlaubt den menschlichen Neigungen unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten. So mag der eine mehr von lebendiger geistiger Auseinandersetzung angezogen werden, der andere in der menschlichen Gemeinsamkeit der Loge das Wesentliche sehen, und der dritte schließlich in Symbol und Brauchtum das Zentrum des Bundes erleben. Gehen wir aber davon aus, dass sich erfüllte Freimaurerei nur im Zusammenspiel aller ihrer Elemente verwirklicht.

Logen sollen Stätten sein, an denen durch Information und gemeinsames Nachdenken verantwortliches persönliches Handeln vorbereitet wird.

Eine lebendige Bauhütte, so wie Eure Loge „Insel zu den drei Ufern“, in der sich die Brüder mit Engagement zusammenfinden, in der die Inhalte unserer Lehrart weitergegeben werden, wo Bürgen sich um die jungen Brüder bemühen, wo historische Erkenntnis mit brüderlicher Liebe einen Kraftort bildet und rituelles Erleben uns erheben kann: Das ist ein großer Schatz unserer Bruderschaft.

Freimaurerei ist keine programmatische Organisationsform zur Durchsetzung von Idealen. Sie ist keine Massenbewegung und will auch keine werden. Sie stärkt das Individuum und geht davon aus, dass jeder nur nach seinen Mitteln und Möglichkeiten wirken kann. Freimaurerei ist eine feinsinnige Wertegemeinschaft die sich als ein sensibles Netzwerk der Hände und Herzen versteht. So schreibt unser Altgroßmeister Jens Oberheide in seinem Essay „Freimaurerei ein Lebensstil“.

Verehrte Anwesende, diese vorgetragenen „Sichtweisen“ auf die Freimaurerei, ihre Inhalte und Werte, ihre Ideen und den damit verbundenen Habitus, haben wir durch zahlreiche Bücher, Beiträge und Vorträge namhafter Autoren und Referenten, innerhalb der Freimaurerei und auch außerhalb, in der Vergangenheit und in der Gegenwart, schon häufig gelesen und gehört. Sie zeichnen ein umfangreiches Bild und erscheinen immerwährend richtig und gültig, demnach auch im 21. Jahrhundert.

Doch reichen uns diese Erkenntnisse für eine fundierte Einschätzung?

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Im kürzlich in München stattgefundenen Freimaurerkolloquium haben wir uns mit der Frage beschäftigt, ob es einen „Wertewandel“ geben kann und wenn ja, ob dieser auch Auswirkungen auf die Freimaurerei und die Brüder und Schwestern hat.

Aus dem Fazit der jeweiligen Beiträge kann ich wie folgt zitieren:

1. Werte, Normen und Tugenden bedingen sich gegenseitig und sind, auch wenn diese sich in andauernder zeitlicher Wandlung befinden, für die Entstehung einer gerechten, freien, friedlichen und demokratischen Gesellschaft notwendig. Wertsysteme, wie die der Aufklärung, der Menschenrechte u.a., die im Dienste der gesamten Menschheit stehen, sind sicherlich zu begrüßen.

Neue Wertsysteme, die das Gemeinwohl bereichern ebenfalls. Wertewandel muss nicht negativ sein; Voraussetzung für die Positivität ist allerdings, dass die neuen Konzepte von der Mehrheit in einer Gesellschaft als wertvoll akzeptiert werden müssten. (Dr. Jump)

2. Werte muss man vermutlich „leben“, um sie erfahren zu können, ungeachtet dessen, ob man sie für lebensimmanent, intra- oder interpersonell interaktiv, global oder zeitlos ansieht. Durch das individuelle aktive Leben von Werten ergibt sich aber zwangsläufig auch eine unendlich große Bandbreite an Absolutem, Abgestuftem, Priorisiertem, Abgewertetem und Aufoktroyiertem. Der Mensch bleibt trotz allem eben doch auch ein Individuum.“ (Prof. Dr. Heres)

3. „Wandeln sich also Werte? Die dargestellten Argumente sprechen dafür, dass wir diese Frage verneinend beantworten sollten. Was sich ändert ist, was wir „wertschätzen“. Aber um beurteilen zu können, ob diese Veränderungen zu begrüßen oder zu beklagen sind, brauchen wir wiederum einen Rekurs auf objektive, nicht-wandelbare Werte oder Güter. Wir müssen also einen Wertewandel negieren, um verstehen und begründen zu können, warum es einen Wandel in Bezug auf das gibt, was wir wertschätzen.“ (Prof. Dr. Zoll)

„Der Mensch bleibt eben doch auch ein Individuum“ haben wir als Hinweis aus dem Kolloquium mitgenommen – also auch der Bruder Freimaurer?

Dem gängigen „Narrativ“ der Bauhüttentradition des Mittelalters folgend, steht das Bauen am Salomonischen Tempel als Symbol dafür, dass wir Freimaurer am „Tempel der Humanität“ bauen. Zur Welt des Bauens gehören Werkzeuge, die sich ins Geistige, Ethische und Moralische umdenken lassen. Winkelwaage, Senkblei, rechter Winkel und Zirkel stehen etwa für „auf gleicher Ebene treffen“, „die eigene Tiefe ausloten“, „gerechtes Denken und Handeln“ und das „Einschließen aller in die Menschenliebe“, ohne Rücksicht auf Rang, Stand und Weltanschauung, Hautfarbe, Nation und irdische Güter.

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Derartige Symbolübersetzungen aus der Welt des Bauens werden in allen Kulturen verstanden. Schöpferische Kraft und Kreativität sind als selbstbewusster Akt der Formgebung auf das Leben übertragbar. Man gibt seinem Leben Form und Inhalt. Die Freimaurerei hat in ihrer konstitutionellen Findung vor über 300 Jahren eine Mischung aus Brauchtumspflege, Bauhandwerk und symbolischer Übersetzung angedacht, um damit interpretierbare, in das alltägliche Leben übersetzbare, nachlebbare Lebensmaxime zu vermitteln. Freimaurer wollen die Lebenszeit sinnvoll nutzen zur Selbstfindung, Selbsterziehung, zur Suche nach Lebensqualität und Sinn, zur Gestaltung von Lebensraum und Umwelt.

In diesem Zusammenhang sprechen wir in der Freimaurerei davon, dass der Mensch symbolisch zunächst einem unbehauenen Stein gleicht, der die Unvollkommenheit darstellt. Die Ecken und Kanten der Unvollkommenheit des Verstandes und der Herzen gilt es zu bearbeiten, um sich der Harmonie zu nähern.

Daraus entsteht eine Art „Lebenstil“,

die sich auch zur „Lebenskunst“ entwickeln kann.

Lasst uns den Versuch unternehmen, zu betrachten, wie sich die Idee der Freimaurerei in all ihren Bereichen und Details im ganz konkreten Dasein des Menschen wirksam entfalten kann und so zum tragenden Gerüst einer sinnvollen Lebensgestaltung wird.

• Klein anfangen

Der Ursprung von Zufriedenheit lebt im Reich der kleinen Dinge.

Die Morgenluft, die Tasse Kaffee, der Sonnenstrahl.

In einer Welt, in der es vor allem unser „Erfolg“ ist, der unseren Wert und unser eigenes Selbstwertgefühl bestimmt, stehen viele Menschen unter unnötigem Druck. Sie haben manschmal das Gefühl, das eigene Wertesystem sei nur dann gerechtfertigt, wenn es zu konkreten Erfolgen führt – beispielweise einer Beförderung oder einer gewinnbringenden Investition. Übertragen auf die Freimaurerei kann es das Erreichen der humanitären Ziele bedeuten.

Entspannen wir uns!

Gemeint ist, dass es wichtig ist, Schritte zur Verwirklichung unserer Ziele zu unternehmen, selbst wenn sie zunächst klein sind. Es bedeutet, dass wir nicht darauf warten sollten, bis die Umstände perfekt sind oder wir das Gefühl haben, alles perfekt zu können, bevor wir handeln. Stattdessen sollten wir mit kleinen Schritten beginnen um Fortschritte zu machen und uns auf den Weg begeben.

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Auch bescheidene Schritte führen bei Kontinuität und Fortschritt zu größerer Veränderung und Erfolg. Er entsteht aber nicht von selbst.

Der junge Bruder beginnt seine Arbeit als „Lehrling“ mit Demut und Bescheidenheit. Das „Klein anfangen“ ist auch das Markenzeichen der Jugend. Wenn wir jung sind, können wir gar nichts im großen Stil beginnen. Was immer wir tun, macht für die Welt keinen großen Unterschied. Wir müssen klein anfangen und wir verfügen über reichlich Offenheit und Neugier, den besten Treibstoff für die eigene Sache.

• Loslassen lernen

Die Fähigkeit, das loszulassen, was uns daran hindert, unseren wahren Lebenssinn zu finden und zu leben. Es kann das Loslassen von Erwartungen bedeuten, bis hin zur Selbstvergessenheit. Der Suchende wird bei seiner Aufnahme als Freimaurer weder nach seinem Beruf, noch nach seinem sozialen Stand im bürgerlichen Leben gefragt. Befreit vom Status der gesellschaftlichen Position kommen wir zur Wertschätzung für die Gegenwart und in Einklang mit der Philosphie der „Achtsamkeit“. Das Loslassen von Ängsten, welche uns daran hindern, Risiken einzugehen und unsere Leidenschaften zu verfolgen, lernt uns mutig zu sein und motiviert uns, uns auf den Weg zu machen, unseren Lebenszielen näher zu kommen. Es hilft uns flexibel zu werden, Veränderungen zu akzeptieren, Gewohnheiten die uns nicht guttun abzulegen, Platz schaffen um Neues zu entdecken und uns auf den Weg zur Selbstverwirklichung zu machen.

• Harmonie und Nachhaltigkeit leben

Das Streben, mit sich selbst, anderen Menschen und der Natur im Einklang zu leben und dabei eine nachhaltige Lebensweise zu führen.

Zurückhaltung, Selbstbeherrschung und Bescheidenheit sind Teil eines Motivationsgebäudes, das uns nach Harmonie und innerem Frieden streben lässt. „Der Freimaurer muß sich üben in der Kunst der Selbstbeherrschung und der sittlichen Erkenntnis. Und Bescheidenheit ist die Krone des Verdienstes. Ehrsucht ohne Kraft, Wert und Würde erzeugt Dünkel, der zur Torheit führt und Verachtung erntet“, lernt der Suchende bei seiner Aufnahme in den Freimaurerbund.

Respekt und Zuneigung der Natur und ihrer Schöpfung gegenüber zeigen sich in einer Haltung der Ästhetik und Nachhaltigkeit.

Unsere Wünsche und Bedürfnisse in Harmonie mit unserem Umfeld zu entwickeln, vermindert unnötige Konflikte und dient somit dem Frieden.

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Mit Ressourcen zurückhaltend und gemäßigt umgehen und dabei das gesamte organische System beachten, in dem wir alle uns befinden, kann zu einer nachhaltigen wertvollen Lebensweise beitragen.

• Die Freude an kleinen Dingen entdecken

Die Fähigkeit zu entwickeln, Glück und Erfüllung in den kleinen und alltäglichen Momenten des Lebens zu finden. Statt darauf zu warten, dass große Ereignisse oder Erfolge eintreten, um Glück zu empfinden, geht es darum, die Schönheit und Bedeutung der kleinen Dinge im Leben zu erkennen und zu schätzen.

Dies kann beinhalten:

Achtsamkeit:

Durch Achtsamkeit und bewusste Wahrnehmung des gegenwärtigen Moments können wir die kleinen Freuden im Leben entdecken, sei es das Zwitschern der Vögel am Morgen, der Duft von frisch gebrühtem Kaffee, ein freundliches Lächeln eines Fremden oder auch die Interpretation und Reflexion über freimaurerische Symbole während einer Tempelarbeit.

Dankbarkeit:

Indem wir dankbar für die kleinen Dinge im Leben sind, können wir unsere Perspektive verschieben und unsere Lebenszufriedenheit steigern. Dies kann bedeuten, Dankbarkeit für die Nahrung auf unserem Teller, die Wärme unserer Familie, die Schönheit der Natur und auch die brüderliche Liebe innerhalb unseres Bundes zu empfinden.

Einfachheit:

Die Freude an kleinen Dingen zu entdecken bedeutet oft auch, sich auf die einfachen Freuden des Lebens zu konzentrieren und weniger nach materiellen Besitztümern oder äußeren Erfolgen zu streben. „Hier gilt nicht Prunk, nicht leerer Schein;

Dein Herz soll unser Bruder sein“, spricht der Meister vom Stuhl zum Suchenden. Dies trägt dazu bei, das Konzept zu leben, indem man bewusst und erfüllt im gegenwärtigen Moment lebt.

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• Im Hier und Jetzt sein

Sich auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren und sich vollständig darauf einzulassen, ohne von Gedanken an die Vergangenheit oder die Zukunft abgelenkt zu werden. Es beinhaltet Achtsamkeit und Bewusstsein für das, was in diesem Moment geschieht, sowie die Fähigkeit, die Gegenwart zunächst ohne Urteil oder Bewertung zu akzeptieren.

Wenn man im „Hier und Jetzt“ ist, bedeutet das, sich nicht von Sorgen oder Bedauern über vergangene Ereignisse oder von Angst oder Erwartungen an die Zukunft beeinflussen zu lassen. Stattdessen konzentriert man sich darauf, das Leben engagiert zu gestalten und die Erfahrungen und Emotionen des gegenwärtigen Augenblicks aufzunehmen.

Diese Idee ist eng mit Praktiken der „Achtsamkeit“ und „Meditation“ verbunden, die dazu beitragen können, den Geist zu beruhigen und im Moment zu verankern. Die Kontemplation während einer rituellen Arbeit vermag das in gleichem Maße.

Indem man sich auf das Hier und Jetzt konzentriert, kann man inneren Frieden und Gelassenheit finden sowie eine tiefere Wertschätzung für das Leben und seine kleinen Freuden entwickeln.

Wenn wir es schaffen, den Prozess des Sichanstrengens zu unserer Hauptglücksquelle zu machen, haben wir eine der wichtigsten Herausforderungen unseres Lebens bewältigt. Wenn man einen Zustand glücklicher Konzentration erreicht hat, ist kein Publikum nötig und auch keine Belohnung.

Beim Verzicht auf Anerkennung ist es die innere Freude und Befriedigung, die ausreicht, um uns durch unser Leben zu tragen.

Wir erkennen:

Das komplexe Zusammenwirken mannigfaltiger Elemente in einem organischen System macht das Leben robust und zukunftsfähig.

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Betrachten wir die Idee der Freimaurerei angewandt auf die beschriebenen

Sicht-, Denk- und Verhaltensweisen im täglichen Leben, so kann sie sich zu einer persönlichen „Lebenskunst“ entwickeln, die dem Einzelnen hilft, seinen Beitrag am Bau des Tempels der Humanität erfolgreich zu leisten.

In diesem Sinne erkenne ich die Freimaurerei auch im 21. Jahrhundert als wunderbare Idee zur eigenen Lebensgestaltung innerhalb unserer Welt- Gemeinschaft.

Die „männliche Sicht“ darauf sehe ich in meinem Vortrag alleine dadurch als gegeben an, dass ich heute hier als Großmeister des Männerbundes der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland zu Ihnen spreche.

„Freimaurerei im 21. Jahrhundert“ - nicht aus „männlicher Sicht“

sondern vielmehr aus „menschlicher Sicht“ - so möchte ich meinen heutigen Beitrag hier in Lindau gerne verstanden wissen.

Großmeister Stefan Kunnert

Freimaurerei im 21. Jahrhundert aus der Sicht einer Freimaurerin

Vortrag von Franka Dewies-Lahrs beim Benefiz-Abend der Lindauer Freimaurerloge „Insel zu den drei Ufern“ am 15.03.2024 Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit Genehmigung.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Brüder, liebe Schwestern

vorab Folgendes: Wie in der Freimaurerei üblich, spreche ich hier als freie Frau und vertrete meine persönliche Meinung auf der Basis meines aktuellen Wissensstandes.

Beim Thema des heutigen Abends habe ich mich gefragt: Was ist eigentlich Freimaurerei? Wie nähere ich mich den Gemeinsamkeiten, dem Kern?

Mein Ansatz: Historisch

„Zukunft braucht Herkunft.“1 titelte der Philosoph Odo Marquard, doch wo fange ich an? Bleiben wir im Land und reisen zurück ins Jahr 1778.

Damals hat Gotthold Ephraim Lessing den fiktiven Freimaurer Falk sagen lassen „Freimaurerei war immer da, es gibt sie, solange Menschen denken können“2. Für ihn stand der Begriff „Freimaurerei“ als Synonym für die uralte Sehnsucht der Menschen nach Freiheit, Gleichheit, Mitmenschlichkeit und Gerechtigkeit - also stellvertretend für das Bemühen um ein besseres Miteinander für eine bessere Welt. – und zwar schon damals explizit über Standes- und Landesgrenzen hinaus.

Das, was Lessing in „Ernst und Falk“ mit „Freimaurerei“ umschreibt, ist also nicht begrenzt auf die in Vereinen, unseren „Logen“ organisierte Freimaurerei, die wir heute mit dem Begriff assoziieren. Lessing lässt Falk sagen: „Die Freimaurerei ist nichts willkürliches, nichts entbehrliches, sondern etwas Notwendiges, das in dem Wesen des Menschen und der bürgerlichen Gesellschaft gegründet ist. Folglich muss man auch durch eigenes Nachdenken darauf kommen, als wenn man durch Anleitung darauf geführt wird.“3 (Zitatende). Diese Sichtweise auf die Freimaurerei ist gerade für mich als Frau spannend.

Mit der Entwicklung des Bürgertums bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts wurden in unserer Gesellschaft Frauen aus dem öffentlichen Leben fast vollständig zurückgedrängt. Es etablierte sich ein Frauenbild, das Simone de Beauvoir beschreibt als „der Mann definiert die Frau nicht an sich, sondern in Beziehung auf sich, sie wird nicht als autonomes Wesen angesehen“4 (Zitatende). Wir Frauen wurden bis weit ins 20. Jahrhundert in unserer Gesellschaft ausschließlich wahrgenommen als Tochter eines Mannes, Ehefrau eines Mannes, usw. Als nicht autonome Wesen hatten wir natürlich auch keine eigenständigen Rechte. Wir Frauen waren per Gesetz zeitlebens abhängig und unfrei.

Viele Frauen haben sich mit der ihnen zugewiesenen Rolle arrangiert und sie für sich übernommen.

Doch schon im 18. Jahrhundert gab es Frauen, die das für sie vorgesehene Rollenbild ablehnten und für „Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt“5

1 Buchtitel von Odo Marquard

2 Ernst und Falk, erstes Gespräch S. 10

3 Ernst und Falk erstes Gespräch S. 9

4 Simone de Beauvoir, zitiert nach Claudia Gather

5 Präambel der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, erster Absatz

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Freimaurerei im 21. Jahrhundert aus der Sicht einer Freimaurerin

Vortrag von Franka Dewies-Lahrs beim Benefiz-Abend der Lindauer Freimaurerloge „Insel zu den drei Ufern“ am 15.03.2024 Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit Genehmigung.

kämpften. Sie nahmen sich selbst als autonome Person wahr und hatten den Anspruch, selbst zu denken. Doch sie durften sich weder versammeln noch eigenes Geld haben. Mädchen erhielten in der Regel nur die Bildung, die für eine standesgemäße Heirat erforderlich war. In dieser Tradition machten viele Mädchen bis in die 1970er-Jahre ein hauswirtschaftliches Fachabitur, das sog. „Puddingabitur“.

Frauen, die sich für die Ideen der Freimaurerei begeisterten, konnten zwangsläufig nur im privaten Rahmen und über persönliche Netzwerke aktiv werden. Sie wurden von Anfang an unterstützt von frei denkenden Männern.

Bekannt und einflussreich war die Kultur der Salons, die von „Salonière“ genannten meist adeligen Frauen geführt wurden. Der französische Salon des 18. Jhd. ist praktisch eine zum Gedankenaustausch zusammengekommene Gesellschaft unter der „Leitung“ einer Frau.“6 Unsere Altgroßmeisterin Marita Gründler hat sich intensiv mit der Salonkultur beschäftigt und schreibt: „Die Salons stehen für Emanzipation, Integration und Sozialisation und ihre Betreiberinnen haben einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zum Fortschritt der europäischen Kulturgeschichte geleistet.“7 (Zitatende) Die Salongesellschaften ermöglichten regelmäßige Kontakte zwischen Frauen und Männern unterschiedlichen Standes und religiösen Bekenntnisses. Sie dienten dem freien Ideenaustausch und förderten die Ideen der Aufklärung.

In Deutschland etablierte sich diese Kultur nach dem französischen Vorbild harmonischer Gesellschaften von Adligen und Nichtadligen erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Einige wenige, vor allem gesellschaftlich privilegierte Frauen des Adels und des gehobenen Bürgertums kannten den der Aufklärung entsprungenen Gedanken der Gleichstellung von Frau und Mann. Sie versuchten, ihn zumindest für sich zu leben - durch ihr entschiedenes geistiges Engagement und ihre persönliche Lebensgestaltung. Sie führten Salons, in denen die bedeutendsten Intellektuellen der Zeit verkehrten und prägten dadurch ein neues Frauen- und Menschenbild.8

Eine bekannte Salonière auf deutschem Boden war Herzogin Anna Amalia, die die fürstliche Bibliothek in Weimar gründete - auf der Basis ihrer privaten Bibliothek.

Der Berliner Salon der Rahel Varnhagen galt als ein Hort der Freiheit – wozu damals sehr viel Mut gehörte. Bei ihr traf sich die gesamte geistige Elite der Zeit, u.a. Fichte, Hegel und Schleiermacher.

Bedeutend waren auch die Empfänge der Fanny Lewald, einer Schriftstellerin, deren Salon in erster Linie ein politisches Forum war.

Fanny Lewald war eine Vorkämpferin der Frauenemanzipation. Zu ihrem Freundeskreis gehörten Heinrich Heine, die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm und die Schriftstellerin Henriette Herz, die ebenfalls eine bekannte Salonière war.

6 http://www.kollektiveautorschaft.uni-koeln.de/salonkultur.htm 7 Zitiert nach Marita Gründler S. 6

8 Vgl. Carmen Stadelhofer, Frauen im Aufbruch

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Freimaurerei im 21. Jahrhundert aus der Sicht einer Freimaurerin

Vortrag von Franka Dewies-Lahrs beim Benefiz-Abend der Lindauer Freimaurerloge „Insel zu den drei Ufern“ am 15.03.2024 Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit Genehmigung.

Marita Gründler kommt durch ihre Recherchen zu dem Schluss: „Viele Salonièren waren Ehefrauen, Töchter oder Schwestern von Freimaurern und viele der Gäste waren Freimaurer und regelmäßige Teilnehmer an den Veranstaltungen. Sie alle nahmen die Inspirationen aus den Salons mit und befruchteten auf diesem Weg auch die Arbeit in ihren Logen und umgekehrt.“ (Zitatende)

Auf dem Weg über die Salons verbreiteten sich die Ideen und Ideale der Aufklärung – und der Freimaurerei – auch schon im 18. /19. Jahrhundert unter Männern und Frauen.

Doch bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts konnten Frauen nur im privaten Rahmen und mit Unterstützung von Männern aktiv werden. Treffen in Logen blieben uns versagt. Das änderte sich erst, als im Dezember 1948 die Vereinten Nationen die allgemeine Erklärung der Menschenrechte verkündeten, die explizit in ihrer Präambel „die Gleichberechtigung von Mann und Frau erneut bekräftigt“9 . Im Mai 1949 trat dann das in Deutschland bindende Grundgesetz in Kraft. Wenige Wochen später bildete sich in West-Berlin dank der Initiative einiger Brüder eine erste Gruppe von Frauen mit dem Ziel, eine Frauenloge zu gründen. Dieses Jahr feiert diese Loge ihr 75jähriges Bestehen. Sie ist die erste Loge unseres Verbandes und blieb lange die einzige. Erst die gesellschaftliche Entwicklung und die Reformen der 1970er-Jahre führten 1982 zur Gründung weiterer Frauenlogen in Westdeutschland und zur Gründung unserer Großloge. Seitdem verbreitet sich die feminine Freimaurerei in Deutschland, seit dem Ende der DDR, in der Freimaurerei verboten war, auch im Osten der Republik.

Die Ideale der Freimaurerei im Sinne Lessings begeistern also seit jeher auch uns Frauen trotz erschwerter Rahmenbedingungen.

Seit ihrer Entstehung vertritt die Freimaurerei das Menschenbild, das sich mit der Aufklärung entwickelt hat und das wir heute „aufgeklärten Liberalismus“ oder „liberale Demokratie“ nennen. Das Fundament sind die Werte des Artikel 1 der allg. Erklärung der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.“10 In der Freimaurerei bekannter ist: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Toleranz und Humanität“.

Gesellschaftlicher Rahmen

Die aktuelle Entwicklung unserer Gesellschaft geht in eine andere Richtung. Es wird immer häufiger polarisiert und mehr und mehr Menschen radikalisieren sich. Im öffentlichen Raum greift die Intoleranz um sich, es wird nicht zugehört, sondern niedergebuht, ausgegrenzt und abgewertet. Freie Meinungsäußerung wird zum

9 Präambel der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, fünfter Abschnitt

10 https://www.amnesty.de/alle-30-artikel-der-allgemeinen-erklaerung-der-menschenrechte abgerufen am 27.02.2024

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Freimaurerei im 21. Jahrhundert aus der Sicht einer Freimaurerin

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unkalkulierbaren Risiko, selber denken unerwünscht. Immer mehr Menschen bewegen sich nur noch unter ihresgleichen, in ihrer eigenen Blase.

Um die zunehmende Polarisierung und Radikalisierung der Gesellschaft greifbar zu machen, möchte ich auf zwei Entwicklungen kurz eingehen:

a) Die aus den Universitäten der USA kommende Bewegung der „political correctness“ oder „wokeness“ fordert eine diskriminierungssensible Sprache unter Berücksichtigung aller Gruppen und Minderheiten – unter dem Begriff „cancel culture“ werden Verstöße gegen wachsame, „woke“, Sprache radikal angeprangert bis zur Forderung, Menschen nach einem „falschen“ Wort als Person zu ächten, zu „canceln“. Diese Bewegung ist schnell auf Europa übergesprungen und sie hat in konservativen Kreisen der Politik und der Medien eine intensive Gegenreaktion hervorgerufen. Beiden Seiten geht es nicht um rationalen Austausch von Argumenten, sondern um Gefühle und um Macht. Um Macht über Sprache. Schon George Orwell wusste „Wenn Gedanken die Sprache korrumpieren können, so kann auch die Sprache unsere Gedanken korrumpieren“.11 (Zitatende) Es geht um die Herrschaft darüber, was sagbar ist und damit auch darum, was denkbar ist. Denn: Denken braucht Sprache.

b) Um mehr als die Macht durch und über Sprache geht es der Ideologie, die die österreichische Extremismusforscherin Natascha Strobl „radikalisierten Konservatismus“ nennt. Diese Ideologie verbreitet sich in den USA und in Europa. Für sie stehen beispielhaft Männer wie Donald Trump oder Wladimir Putin. Durch den Ukraine-Krieg ist sie in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Hier wird einerseits versucht, durch ausgrenzende Neuschöpfungen oder verschleiernde Begriffe Macht über unser Denken auszuüben, anderseits wird – sofern das politisch möglich ist - Sprache rigoros kontrolliert und Fehlverhalten brutal bestraft in dem Wissen, dass Wahrheiten, die nicht sagbar sind, irgendwann auch nicht mehr denkbar sein werden. Leitbild ist eine unpolitische, ins Privatleben zurückgezogene und homogene bürgerliche Gesellschaft – so wie in der Zeit des Biedermeier. Für diese Zeit vor 200 Jahren stehen Menschen wie die tiefreligiöse Dichterin Annette von Droste-Hülshoff. Sie lebte naturnah und bescheiden in ihrem „Schneckenhaus“, der kleinen Wohnung im Rüschhaus bei Münster oder bei ihrer Schwester in der Burg Meersburg – hier ganz in der Nähe.

Fatal für uns Frauen ist das im Konservatismus enthaltene rückwärtsgewandte Geschlechterbild, in dem Frauen keine autonomen Wesen sind. Sobald die Vertreter dieser Ideologie die Macht dazu haben, nehmen sie uns Frauen das Recht auf Selbstbestimmung, auf Bildung und auf eigenes Geld – Frauen werden zu Unfreien.

11 https://gutezitate.com/zitat/153515 abgerufen am 28.02.2024

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Freimaurerei im 21. Jahrhundert aus der Sicht einer Freimaurerin

Vortrag von Franka Dewies-Lahrs beim Benefiz-Abend der Lindauer Freimaurerloge „Insel zu den drei Ufern“ am 15.03.2024 Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit Genehmigung.

Die Französische Revolution hatte die Werte der Aufklärung in die Köpfe der Menschen getragen, doch zur Zeit des Biedermeier (1815 – 1848) war alles wieder wie vor der Aufklärung und der radikalisierte Konservatismus möchte da wieder hin.

Das alles gefährdet unsere Demokratie. Unsere Freiheit ist in Gefahr. Menschen werden ausgegrenzt und bedroht, entweder weil sie anders sind oder weil sie anders denken. Wie bei jeder Ideologie begegnen uns Intoleranz, Vorurteile, Rücksichtslosigkeit und Verfolgung. Selbstständiges Denken wird drastisch bestraft und soll ausgemerzt werden.

Eine gerade veröffentlichte Studie12 bestätigt, dass Hass in sozialen Medien schon jetzt allgegenwärtig ist. Gerade junge Frauen werden bevorzugt Opfer solcher Hassbotschaften. Fatal ist, dass diese Strategie tatsächlich dazu führt, dass die Opfer sich zurückziehen. Sie schweigen, das Kalkül geht auf.

Hier soll - mal wieder – die Aufklärung rückabgewickelt werden. Die in Berlin lebende Philosophin Susan Neimann sagt in ihrem Buch „moralische Klarheit“: „Wo die Aufklärung zur Debatte steht, steht die Moderne auf dem Spiel“13. (Zitatende)

Was bedeutet das für uns Freimaurerinnen im 21. Jahrhundert?

 Ein Wesenskern der Freimaurerei ist der herrschaftsfreie Diskurs. Merkmale dieser Diskurskultur14 sind:

a) Die Gesprächssituation ist symmetrisch, alle sind gleichberechtigt.

b) Jede hat die gleiche Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern, es wird ihr zugehört und sie darf ausreden.

c) Fakten sind belegbar.

d) Argumente entscheiden.

 In unseren Logen gibt es viele Ämter zu besetzen und es ist in den meisten Logenregeln verankert, dass keine dasselbe Amt länger als zwei Amtsperioden ausübt. Schon Lessing griff immer wieder das Thema der Rollenidentifizierung und der Rollendistanz auf. Sein Ziel war dabei, ein aufklärerisch-humanes Menschenbild zu entwickeln.15

Durch den regelmäßigen Wechsel der Ämter in der Loge lernen wir Schwestern viele verschiedene Verantwortungsbereiche kennen – der Wechsel der Perspektive ist ein wichtiger Aspekt in Freimaurerinnenlogen. Dadurch beschäftigen wir uns automatisch mit den Inhalten unserer aktuellen „Rolle“ und lernen, unser Selbst und unser Amt zu trennen.

Diese Erfahrungen helfen, das in den Logen zu etablieren, was Falk - also

12 https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/hass-im-internet-nimmt-zu-236278 abgerufen 27.02.2024

13 Susan Neiman S. 37

14 Thomas Beck: Herrschaftsfreier Diskurs und kommunikative Vernunft.

15 Vgl. Arendt, Dieter https://www.fachportal-paedagogik.de/literatur/vollanzeige.html?FId=2115294 Seite 5|7

   

Freimaurerei im 21. Jahrhundert aus der Sicht einer Freimaurerin

Vortrag von Franka Dewies-Lahrs beim Benefiz-Abend der Lindauer Freimaurerloge „Insel zu den drei Ufern“ am 15.03.2024 Nachdruck (auch auszugsweise) nur mit Genehmigung.

Lessing - „opus supererogatum“ nannte – moralisch gebotenes Werk. 16

 Unsere monatlichen rituellen Zusammenkünfte, unsere „Rituale“, verstehen wir als Einübungsethik17. Wir rufen uns unser Menschenbild und unsere Werte bei jeder dieser Zusammenkünfte ins Bewusstsein und versichern uns gegenseitig, dass wir alle diese Werte teilen, dass wir damit nicht allein sind, sondern Teil einer weltumspannenden Kette. Diese gelebte Solidarität stärkt uns.

 Wir arbeiten mit Symbolen und mit Musik – beides ist zeit- und grenzenlos – und damit das Gegenteil von Ab- und Ausgrenzung.

 Jede hat in der Loge die Freiheit, ihre eigenen Gedanken zu äußern, ohne Repressionen befürchten zu müssen – damit werden zwangsläufig unterschiedliche Meinungen geäußert und bleiben nebeneinander stehen.

 Wir haben den Anspruch, dass sich in der Freimaurerei Menschen kennenlernen, die sich sonst nie begegnet wären – um im herrschaftsfreien Diskurs voneinander zu lernen. Wir begegnen uns als Gleiche unter Gleichen und üben uns in Toleranz.

 Wir werden am Ende unserer „rituellen Arbeit“ aufgefordert, unsere gemeinsamen Werte in den Alltag zu tragen in Form von Mitmenschlichkeit und Selbstsorge. „Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt, kehret niemals der Not und dem Elend den Rücken, seid wachsam auf euch selbst“.18 (Zitatende)

Wir können gesellschaftlich nur dann etwas bewirken, wenn wir diese Aufforderung ernst nehmen und unsere Werte in die Welt tragen. Wie in der Freimaurerei üblich als handelnde Person, nicht als Institution.

Viele Freimaurerinnen nehmen diesen Auftrag sehr ernst und setzen innerhalb der Gesellschaft der zunehmenden Polarisierung ihr persönliches Engagement entgegen.

Wir stärken uns in der Gemeinschaft der Loge, unser Auftrag ist glaubwürdiges Eintreten für Freiheit, für Menschenrechte, für eine völkerverbindende Menschlichkeit und für die Bewahrung einer gesunden, lebenswerten Welt auch für kommende Generationen. Entschlossenes Wirken in der Welt im Sinne unserer Werte - das ist für mich Freimaurerei im 21. Jahrhundert.

16 Lessing, Ernst und Falk, 2. Gespräch. „opera supererogationis“ entstammt der christlichen Theologie

17 Klaus Hammacher „Einübungsethik“

18 Zitiert nach: https://www.bertini-preis.de/foerdernde abgerufen am 27.02.2024

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Freimaurerei im 21. Jahrhundert aus der Sicht einer Freimaurerin

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Literatur:

Arendt; Dieter: „Lessings Nathan der Weise und das opus supererogatum oder: Der Mensch als Rolle und die Rolle des Menschen in der Aufklärung.“ In: Diskussion Deutsch, 16 (1985) 83, S. 243-263 https://www.fachportal-paedagogik.de/literatur/vollanzeige.html?FId=2115294 abgerufen am 03.03.2024

Beauvoir, Simone de: „ Das andere Geschlecht“ Reinbek 1996

Beck, Thomas: „Herrschaftsfreier Diskurs und kommunikative Vernunft“. Der Weg zu einer kritischen Theorie der Gesellschaft bei Jürgen Habermas. Universität Karlsruhe (TH) – Institut für Philosophie Sommersemester 1996 Hauptseminar: Kritische Theorie https://www.youtube.com/watch?v=1vtx4mbJEAc, abgerufen am 03.03.2024

Daub, Adrian: „Cancel Culture Transfer“, Berlin 2022

„Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ Resolution 217 A (III) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948

Frick, Marie-Luisa: „Mutig denken“, Reclams Universal-Bibliothek 2020

Gather, Claudia: Frauen, das zweite Geschlecht : Der >Mythos< bei Simone de Beauvoir ; Anknüpfungspunkte für eine feministische empirische Soziologie, in: Feministische Studien : Zeitschrift für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung, Jg. 26 (2008) Nr. 2, 252-267. DOI: https://doi.org/10.25595/625.

Gründler, Marita: „Salonkultur von der Renaissance bis heute– der große Einfluss von Frauen auf Bildung und Kultur in Europa“, unveröffentlichtes Manuskript 2024

Hammacher, Klaus: „Einübungsethik“ Schriftenreihe der Forschungsloge QC Nr. 45 Bayreuth 2005

Höhmann, Hans-Hermann: „Wieder einmal Lessing. Auf den Spuren eines modernen Denkers“ https://freimaurer-wiki.de/index.php/Traktat:_Hans-Hermann_H%C3%B6hmann_- _Wieder_einmal_Lessing._Auf_den_Spuren_eines_modernen_Denkers

Lessing, Gotthold Ephraim / René Schon / Thorsten Dörfler: „Ernst und Falk 2014“, Leipzig 2. Auflage 2017

Lessing, Gotthold Ephraim „Ernst und Falk“ https://www.freimaurer- wiki.de/index.php/Gotthold_Ephraim_Lessing_-_Ernst_und_Falk abgerufen 03.03.2024

Marquard, Odo: „Zukunft braucht Herkunft“ Reclam Taschenbuch, Ditzingen 2003 Neimann, Susan: „Moralische Klarheit. Leitfaden für erwachsene Idealisten“ Hamburg 2010 Peister, René: „Ein falsches Wort“ München 2023

Stadelhofer, Carmen: „Frauen im Aufbruch - Ein Beitrag zur Geschichte der Frauenemanzipation in Deutschland - Vergessene Lektionen aus der Geistes- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts“ über: https://archiv.zawiw.de/sites/www.women-in-history.eu/hintergrundinformationen.html abgerufen am 27.02.2024

Strobl, Natascha: „Radikalisierter Konservatismus“ Berlin 2021

Willems, Marianne: „Der herrschaftsfreie Diskurs als opus supererogatum“ in Mauser, Wolfram und Saße, Günter. Streitkultur: Strategien des Überzeugens im Werk Lessings; Referate der Internationalen Lessing-Tagung der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und der Lessing Society an der University of Cincinnati, Ohio/USA, vom 22. bis 24. Mai 1991 in Freiburg im Breisgau, Berlin, New York: Max Niemeyer Verlag, 1993. https://doi.org/10.1515/9783110920109

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Die neu gewählten Großbeamtinnen und Schwestern mit besonderen Aufgaben (Foto: ArtOfPicture)

Die Feier zum 40. Jubiläum der Frauen-Großloge von Deutschland (FGLD) prägte die Mitgliederversammlung im Sommer 2022 in Berlin. Bei dem Treffen mit über 100 Teilnehmerinnen aus dem ganzen Bundesgebiet wurde auch das neue Leitungsteam ins Amt eingesetzt. Als neue Großmeisterin löste Franka Dewies-Lahrs aus München Antje Hansen aus Düsseldorf ab. Im Leitungsteam, das aktuell über 600 Schwestern in 31 aktiven Logen betreut, gibt es viele neue Gesichter. Das Team wird sich in den kommenden Jahren mit Themen befassen wie „Die feminine Freimaurerei im 21. Jahrhundert“, „Vernetzung und Mitwirkung“ oder „Wachstum aktiv gestalten“.

Nachdenken einer freien Frau über Tradition und Zukunft der Freimaurerei

„Wir brauchen neuen Mut und neue Ideen, auf denen unsere Zukunft wieder aufgebaut werden kann.“ An diesen starken Gedanken aus der Einladung zu dieser Weltkonferenz möchte ich mit meinem Beitrag anknüpfen. Ich bin Großmeisterin der Frauen-Großloge von Deutschland, einer Großloge für Freimaurerinnen, die im kommenden Jahr ihr 40-jähriges Bestehen feiert. Unsere erste Loge entstand im Nachkriegsdeutschland 1949 in Berlin, unterstützt und ins Licht gebracht von Brüdern regulärer Großlogen. Diese Brüder hatten Mut und wir haben ihnen viel zu verdanken. Doch bitte ich Sie, mich hier nicht misszuverstehen. Ich erwähne die Brüder nicht, um uns Schwestern der Frauen-Großloge von Deutschland daraus eine Art von ererbter Berechtigung abzuleiten. Sondern tatsächlich, um ihrem Mut und ihrer Haltung Respekt zu zollen. Denn innerhalb ihrer eigenen Organisation kann ihr Handeln nicht unumstritten gewesen sein. 

Eine kleine Anekdote: Sie haben sich damals gescheut, unseren Schwestern die Farbe blau zu geben - andere Farben kamen ebenfalls nicht infrage, so dass die Freimaurerinnen schließlich ein tiefes Violett wählten.


(v.l.) Claudia Wagner, Großzeremonienmeisterin, Gretel Kühnle, Großrednerin, Gisela Bäuerlein, Zugeordnete Großmeisterin, Claudia Grieger, 1. Großaufseherin, Dominique Rabe, Großsekretärin, Urania Dübner, Großschatzmeisterin, Ax Liebermann, 2. Großaufseherin, Annette Rotermund-Fritsche, Auslandsdelegierte, Antje Hansen, Großmeisterin

 

Weitergabe und Weiterentwicklung der Inhalte und Aufgaben unseres freimaurerischen Bundes haben das Thema des diesjährigen Großlogentages der Frauengroßloge von Deutschland (FGLD) Ende Juni in Lippstadt bestimmt. Antje Hansen, wiedergewählte Großmeisterin, und ihr neu eingesetztes Team der Großbeamtinnen stehen dabei im Dienste von insgesamt rund 600 Mitgliedern aus 29 Logen, deren nördlichste Flensburg, die südlichste jetzt Konstanz ist. 

Das stete Wachstum der femininen Freimaurerei ist ein erfreuliches Zeichen dafür, dass das Interesse und der Wille zur aktiven Teilnahme an Prozessen zunimmt, die helfen, das Zusammenleben der Menschen in Frieden und Freiheit zu verbessern. 

Wie Freimaurerin werden?

Eine neue Schwester, so nennen sich die Mitglieder einer Loge, wird in einer feierlichen Initiation in die Loge aufgenommen. Bis es so weit ist, müssen beide Seiten, die Loge und die Suchende, sich kennengelernt haben. Dies geschieht in der Regel über den Besuch der offenen Vortragsabende in den Logen. Im Gespräch und in der Diskussion stellen so alle Seiten über einige Monate fest, ob eine Mitgliedschaft von Interesse ist. Letztlich stellt die Interessierte einen Antrag auf Aufnahme in die Loge, über den dann die Mitglieder abstimmen. Unsere Logen sind eingetragene Vereine, e.V. Die Aufnahme in die Freimaurerinnenloge ist damit zugleich ein Vereinsbeitritt. Die Satzung kann vor dem Beitritt eingesehen werden.